Konzeptuelle Verknüpfungen von Ton und Bild

2 Serielle Aspekte und minimalistische Formensprache

Auf einer formalen Ebene lassen sich für die Minimal und Conceptual Art symptomatische Verfahren der identischen und differenziellen Wiederholung (Akkumulation, Intervallbildung, Sequenzierung, Permutation etc.) mit den Konstruktionsprinzipien in der Minimal Music Steve Reichs, Philipp Glass’ oder Terry Rileys vergleichen. Im Gegensatz zu Kategorien autorzentrierter Objektproduktion, d. h. der Intention, des Originals und des abgeschlossenen Einzelwerks, basierten solche Verfahren auf Kategorien der Intuition und des Zufalls, der Dauer und der Reproduktion sowie des offenen und des geschlossenen Systems. Versteht man in diesem Zusammenhang Dauer als einen nicht endenden, kontingenten Vorgang der Anhäufung von Geräuschen, Soundfragmenten und Momenten der Stille, so lässt sich eine ideelle Linie von Duchamp über John Cages 4′33″ (1952) und zu George Brechts sogenannten Events (ab Ende der 1950er Jahre) ziehen.[3]

Auch wenn solche Aspekte der minimalistischen Formensprache nur eine Facette von Ton-Bild-Relationen innerhalb der Konzeptkunst der 1960er Jahre darstellen, so kann an ihnen der Anspruch deutlich werden, dem bis in diese Zeit hinein vorherrschenden Formalismus einen anderen, nicht auf die optischen Qualitäten eines Kunstwerks reduzierten, Werkbegriff entgegenzusetzen. Dieses Phänomen muss selbstredend im Kontext von Duchamps anti-retinaler Programmatik gesehen werden, und ebenso als parallel zu dem Einfluss, den das musikalische Werk John Cages nicht nur auf die US-amerikanische Kunst- und Tanzszene der 1950er und 1960er Jahre hatte. Sound wird damit zu einem Verbündeten postavantgardistischer Kritik an einem auf auktoriale Bild- und Objektproduktion reduzierten Kunstdiskurs. Zeitgleich mit Flynts Definition der Concept Art zitierte Robert Morris’ Box with the Sound of its own Making (1961) in unmissverständlicher Weise Duchamps Objekt With Hidden Noise (1916/1964); dabei handelt es sich um ein leinenknäuelartiges Gebilde zwischen zwei Metallplatten, das eigentümliche Geräusche von sich gibt, sobald man es schüttelt. An die geometrische Formsprache des Minimalismus angelehnt, besteht Morris’ Box aus einer einfachen, handgemachten Holzschachtel, aus deren Inneren eindeutig identifizierbare Sounds wie Sägen, Hämmern und Schleifen dringen. Diese Klänge wurden während der drei Stunden aufgenommen, in denen die Skulptur hergestellt worden war.

Man kann in Bezug auf solche Arbeiten von prä- oder quasikonzeptuellen Werken sprechen, insofern sie weniger das Resultat eines werkimmanenten Material- und Formgeschehens als vielmehr das einer konstruierten Objektidee darstellen, die die Frage der Werkbedeutung nicht allein als eine Frage der Sichtbarkeit adressiert, sondern auch als eine der Akustik: So unterminiert die nicht-sichtbare Geräuschquelle auf eine ebenso buchstäblich-literalistische wie dadaistisch-spielerische Weise tradierte Form-Inhalt-Dualismen.

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