Konzeptuelle Verknüpfungen von Ton und Bild

7 Wahrnehmung als Repräsentationskritik und Partizipation

Dass Snow die Vergegenwärtigung von Wahrnehmungsprozessen dabei keineswegs auf Methoden der Abstraktion oder des Minimalismus beschränkte, veranschaulicht sein Film Presents. Dieses 1981 realisierte Werk besteht aus mehreren Teilen. Einer Sequenz von Schauspielszenen, die insbesondere durch das Wechselspiel zwischen einer mobilen Bühne[10] und einer bewegten Stativkamera geprägt sind, folgt eine einstündige Sequenz von unterschiedlich langen dokumentarischen Aufnahmen, allesamt von einer handgeführten Kamera gedreht: Verfolgungsschwenks von Vögeln oder Fallschirmen am Himmel, von Wasserfällen oder Schlittenfahrten, Stadt- oder Landschaftsimpressionen oder auch intime Aufnahmen aus dem Schlafzimmer. Allen Aufnahmen gemeinsam ist ein kurzer trockener Ton als schnittgenauer Impuls. Obwohl es sich dabei jedes Mal um die Wiederholung desselben Trommelschlags handelt, vermögen die Kombinationen von Bild und Ton dennoch scheinbar unterschiedliche Höreindrücke zu erwecken, als seien die Schläge voneinander verschieden, je nachdem, ob die Kamerabewegung der Aufnahme unmittelbar mit dem Schnitt einsetzt, ob das Bild nach dem Schnitt zunächst ruht, bevor sich etwas bewegt, oder ob Kamera und Motiv sich mit- bzw. gegeneinander bewegen.

Sind es für Michael Snow also durchweg heteronome Kombinatoriken repräsentationskritischer und formalistischer Elemente, die ein Bewusstsein für die Autogenese sinnlicher Wahrnehmung herausfordern, so setzt Tony Conrad darüber hinaus auf eine interaktive körperliche Partizipation der BetrachterInnen oder ZuhörerInnen seiner Darbietungen. Als ein frühes Beispiel mag dafür seine instrumentale Anordnung String Loop (1962) gelten. Diese besteht im Wesentlichen aus einer Saite, die mittels eines gleitenden Knotens zur Schlaufe geformt ist und deren beiden Enden an einen starren Gegenstand, etwa am Fußboden, befestigt sind. Der/die Zuhörer/in ist aufgefordert, die Saite so um den eigenen Kopf zu legen, dass die Schlaufe mit Spannung an den Ohren vorbei über einen dort jeweils angebrachten klangleitenden Steg führt. Wenn die so ausgestattete Person die Saite mit einem Violinenbogen selbst in Schwingung versetzt, ist der resultierende Stereoton ausschließlich für sie selbst zu hören. Damit geht in dieser instrumentalen Anordnung also der Status der ZuhörerInnen vollständig in jenen der MusikerInnen über.

Deren rumpelnde Hin- und Herbewegung wird nicht zuletzt durch das Hüpfen und Rutschen eines Tonabnehmers beim Abspielen einer Schallplatte angezeigt.  
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Schlagwörter:Partizipation
Zeitrahmen:1960 – 1980
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