Audiovisuelle Live Performance

5 VJing

Anfang der 1990er Jahre hatten sich die Raves der House-Szene international durchgesetzt. Der Konsum von Ecstasy bei diesen Anlässen hatte einen starken Anstieg des Interesses für synästhetische Erfahrungen ausgelöst[3] – und die ersten VJs betraten den Schauplatz. Ursprünglich verwendeten sie einfache Geräte zum Abspielen von Videos oder zur Generation abstrakter Visuals in Echtzeit.[4] An der Wende zum 21. Jahrhundert wurde es dann aufgrund der leichten Verfügbarkeit und der Leistungsstärke von Laptops und Video-Equipment einer entscheidenden Anzahl von KünstlerInnen möglich, hochkomplexe Live Visuals bei Raves, in Clubs oder auf Festivals zu produzieren. Hinsichtlich des Equipments gab es große Unterschiede, aber im Allgemeinen kann man sagen, dass heutige VJs häufig Computer, DVD-Player und Video-Mixer verwenden – obwohl auch VJs, die ausschließlich mit dem Laptop arbeiten, durchaus keine Seltenheit sind. Häufig werden externe Interfaces zur Steuerung verwendet, wie MIDI oder OSC-Controller,[5] und auch der Beat selbst kann zur Steuerung dienen, wenn entweder die Klänge aus dem Raum über Mikrofon eingespeist werden oder der VJ das Tempo über eine Computerschnittstelle manuell eingibt. Die Visuals werden meist auf eine Leinwand an der Stirnseite des Veranstaltungsraums projiziert; fallweise können auch Großbildschirme die Projektion entweder ergänzen oder ganz ersetzen.

Da die Bezeichnung DJ schon seit Langem für einen Performer, der Musikstücke mixt, in Verwendung war, etablierte sich die Bezeichnung VJ für einen Performer, der Videosequenzen mixt.[6] Allerdings generieren viele VJs Originalmaterial live – entweder ausschließlich oder in Kombination mit einem Remix von aufgenommenem Material. Eine ganze Reihe von VJs, wie z. B. VJ Miixxy (Melissa Ulto), integrieren auch über Live-Kameras eingespeiste Bilder, was ihnen die Möglichkeit gibt, den Live-Charakter der Visuals zu verstärken, indem sie das Publikum bzw. die auftretenden Musiker in den visuellen Mix mit einbeziehen (Peep Delish: VJ Miixxy—a Selection of Works). Zusätzlich zur Arbeit mit externen Videoquellen generieren viele VJs in Echtzeit abstrakte Bildwelten, die an frühere Performances mit Farbenklavieren, Liquid Light und Videosynthesizern denken lassen. Da VJs ihre Bilder problemlos übereinander schichten und manipulieren können, verschwimmt gelegentlich die Grenze zwischen gegenständlichen und abstrakten Bildern. In dieser Hinsicht sind viele VJ-Performances den Bildcollagen in den Lightshows der 1960er Jahre vergleichbar. Ein wichtiger Unterschied besteht aber darin, dass die vielschichtigen Bilderwelten der VJs in den meisten Fällen von einem Solo-Performer generiert werden und nicht durch gemeinsame Improvisation eines Ensembles.

Bei Club-Auftritten besteht die Rolle der VJs meist darin, den DJ zu unterstützen; es wird vor allem erwartet, dass ihre Performance als optische Untermalung der Musik funktioniert. Während DJs in den meisten Fällen für alle sichtbar auf der Bühne agieren, sind VJs selten im Blickfeld des Publikums. Ihr Arbeitsplatz ist oft irgendwo hinter der Szene. Ganz egal ob einzelne VJs mit dieser Rangordnung einverstanden sind oder nicht, sehen viele ihre Aufgabe in erster Linie darin, der Musik zu folgen, sie zu visualisieren. Da diese Funktion ebenso wie der Clubkontext von vielen Visuals Artists als einengend empfunden wird, haben sich manche unter ihnen in Richtung Live Cinema orientiert.

Musical instrument digital interface (MIDI) ist ein weitverbreitetes Datenübertragungs-Protokoll, das 1982 definiert wurde und elektronische Musikinstrumente wie z. B. Keyboards und Controller befähigt, Steuersignale (sog. Event Messages) an kompatible Soft- und/oder Hardware zu übermitteln. MIDI-Signale können z. B. über Schnittstellen wie Druck- und Drehknöpfe oder Schieberegler die Tonhöhe eines Audio-Synthesizers oder die Intensität eines elektronischen Bildes regeln. Open Sound Control (OSC) ist ein Datenübertragungs-Protokoll jüngeren Datums, das MIDI als neuer Standard ablösen soll; MIDI gilt mittlerweile vielen als veraltet, besonders im Hinblick auf den Multimedia-Bereich. Die Vorzüge von OSC gegenüber MIDI liegen in erster Linie auf den Gebieten Geschwindigkeit, Auflösung beim Durchsatz von Datentypen und Internetzugang. OSC wurde am UC Berkeley Center for New Music and Audio Technology (CNMAT) entwickelt.  
In den 1980er Jahren verwendete MTV regelmäßig die Bezeichnung VJ für seine ModeratorInnen. Dies hat dazu geführt, dass noch heute die zwei Bedeutungen dieser Bezeichnung oft verwechselt werden.  
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