One for Violin Solo

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One for Violin Solo (1962) von Nam June Paik, Düsseldorf
© Nam June Paik, Foto: George Macunias

Nam June Paik hatte in Tokio Kunst- und Musikwissenschaft studiert. Seine Abschlussarbeit verfasste er über Arnold Schönberg. Um sich als Komponist fortzubilden, zog er nach Deutschland und lernte hier in einem Ferienkurs für Neue Musik John Cage kennen, der ihn sehr beeindruckte. Auf seinen Einfluss dürften die Erweiterung des Klangspektrums durch neue Medien, die Integration des Faktors Zufall und performative Elemente im frühen Werk von Paik zurückgehen. Hommage à John Cage (1959) hieß eines der ersten Stücke von Paik, die, vergleichbar mit Happenings, aktionistische und akustische Elemente – häufig jenseits des gewohnten Instrumentariums – verbanden. Eine besondere Rolle besaß für Paik der Aspekt der Destruktion, den er in engem Zusammenhang mit Konstruktion sah – beides Begriffe, die seiner Meinung nach im philosophischen und psychologischen Sinn die menschliche Existenz bestimmen.

Die Zerstörung einer Violine stand im Zentrum von Nam June Paiks berühmtester Aktion One for Violin. Die Uraufführung dieses Stückes fand am 16. Juni 1962 in den Düsseldorfer Kammerspielen statt. One for Violin Solo bildete den ersten Programmpunkt der Veranstaltung Neo-Dada in der Musik, an der neben Paik auch Tomas Schmit, Wolf Vostell und Benjamin Patterson teilnahmen. Der Ablauf der Aktion One for Violin ist denkbar einfach: Nam June Paik nahm von einem Holztisch mitten auf der Bühne eine Geige. Er fasste sie nicht wie ein Musiker, sondern am Hals, als ob er den Griff eines Schwerts ergreifen würde. Er hob die Violine ganz langsam hoch. Die Spannung im Publikum wuchs; die Zuschauer fragten sich, was wohl mit dem Instrument passieren würde. Schließlich bestätigte sich ihre Ahnung und Paik zertrümmerte mit großer Wucht die Violine auf dem Tisch, mit einer Bewegung wie ein Schmied, der mit dem Hammer auf einen Amboss schlägt.

Ein wesentliches Element von One for Violin ist die Lichtregie. Mit der Zertrümmerung der Geige ging auch das Licht im Raum aus. Die Destruktion wird hier mit vollkommener Dunkelheit verbunden und gewinnt so eine Dimension, die den Rezipienten unmittelbar erfasst. Assoziationen an eine Apokalypse liegen nahe. Neben der Verbindung von akustischem und visuellem Ereignis spielte der Zeitfaktor eine wichtige Rolle, da das gespannte Warten auf die mögliche Zerstörung der Violine intensiv erlebt wurde.