Sonifikation

1 Historische Vorläufer: Harmonie und Kosmos bei Pythagoras und Kepler

Ich möchte hierüber auch das Ohr befragen, jedoch so, daß der Verstand aussprechen soll, was natürlicherweise das Ohr zu sagen haben würde. (Johannes Kepler)[1]

Das erste überlieferte Beispiel, in dem Klang mit mathematisch formulierter Erkenntnis und daraus resultierender Welterklärung in Zusammenhang gebracht wird, findet man in der Antike bei Pythagoras von Samos und dem einsaitigen Monochord. Durch die unterschiedliche Positionierung des Stegs kann mit diesem Instrument auf einfache Weise der Zusammenhang zwischen Saitenlänge und Tonhöhe bzw. Frequenzverhältnis demonstriert werden, denn bei Halbierung der Saite erhöht sich der erklingende Ton um eine Oktave, seine Frequenz verdoppelt sich. Pythagoras stellte anhand seiner Beobachtungen fest, dass Proportionen und Intervalle oder Zahlen und Töne untrennbar miteinander zusammenhängen.[2] Einfache Zahlenverhältnisse haben also eine musikalische Harmonie zur Folge, was für ihn den Beweis darstellt, dass auch Naturgesetzen eine gewisse Harmonie zugrunde liegt, die hörend erfahrbar ist. Pythagoras liefert damit eines der wenigen frühen Beispiele westlicher Denktradition, in dem ein klangliches Bezugssystem die Erklärungshoheit besitzt. Dies ist deswegen bemerkenswert, da philosophische Einsicht – das Wort alleine suggeriert es – öfter auf den Sehsinn bezogen wird, man denke nur an Platos Höhlengleichnis.

Die harmonischen Zahlenverhältnisse des Pythagoras finden sich auch in verschiedenen anderen frühen naturwissenschaftlichen Forschungen wieder. In seinem Buch Harmonices Mundi ordnet der Mathematiker und Astronom Johannes Kepler den Planeten Tonreihen bzw. Intervalle zu, die er aus den Verhältnissen von Sonnenabstand, Umlaufbahn, Geschwindigkeit und Zeit errechnet, und gelangt zu einer auf Zahlen basierten Sphärenmusik. Seine Entdeckung, dass die Geschwindigkeiten der Planeten, wenn man sie an den beiden [am weitesten voneinander entfernten] Punkten ihrer elliptischen Bahn mißt […] Intervallproportionen bilden[3], lässt sich im Notenbild nachvollziehen.

Während Pythagoras von der auf dem Experiment basierenden Klangerfahrung ausgeht und die Welt daraus erklärt, imaginiert Kepler den Klang ausgehend vom Modell der Planetenbewegung. Keplers akustische Gesetze dienten wohl auch dazu, zu beweisen, dass den Harmonien des Kosmos eine höhere (göttliche) Intention zugrunde liegt.

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